Wie werden Online-Veranstaltungen lebendig?

Online-Events haben einen schlechten Ruf: Alle hängen gelangweilt vor dem Bildschirm, machen nebenher etwas anderes, echte Interaktion findet nicht statt. Online-Veranstaltungen sind ein müder Ersatz fürs Echte, Haptische, Analoge. Nicht wahr? Nein, ist nicht wahr.

Denn es geht auch anders. Doch wie genau?

Erstmal den Begriff klären – was heißt das eigentlich: „lebendige Online-Veranstaltungen“?

Eine Veranstaltung ist lebendig, wenn die Beteiligten gemeinsam und aktiv dabei sind. In Präsenz vergessen sie die Zeit – und online vergessen sie idealerweise, dass sie gar nicht zusammen in einem physischen Raum sind, sondern in einem virtuellen.

Außerdem gehört dazu, dass die Teilnehmenden in fachlichen und persönlichen Austausch gehen und sich vernetzen können, anstatt zum passiven Konsumieren verdonnert zu sein. Weitere Zutaten für Lebendigkeit sind echtes Interesse, gegenseitige Wertschätzung und Zuhören.

Und wie erreichen wir das?

Noch mehr als in Präsenz lautet die Herausforderung online: Aufmerksamkeit gewinnen und halten, Menschen in Interaktion bringen. Wir haben 5 Prinzipien für lebendige Online-Veranstaltungen formuliert, die wir immer anwenden (wenn man uns lässt):

1. Entzerrung statt Ermüdung

Tschüs, klassische Präsenz-Agenda! Weniger Programm, mehr Pausen und Zeit für Interaktion. Lieber zwei halbe Tage statt eines ganzen, lieber eine großzügige Pause zwischen zwei inhaltliche Blöcke setzen. Die Bildschirmzeit zu reduzieren oder zumindest zu unterbrechen ist das wichtigste Grundprinzip.

Achtung bei Pausen! Damit sind Bildschirmpausen gemeint. Während wir in Präsenz die Pause gern zum Zusammenkommen nutzen, bewegen wir uns online in der Pause voneinander weg. Hier gibt es keinen Weg zum Kaffee oder zum Örtchen, auf dem wir uns zufällig begegnen und nebenher vernetzen. Also muss online das Netzwerken als eigener Programmpunkt eingeplant werden.

2. Austausch vor Inhalt

Gemeinsame Online-Zeit ist kostbar. Verplempert sie nicht für endlose Vorträge mit üblicherweise zu kurzen Fragerunden! Nutzt sie, um die Menschen sich über Inhalte austauschen und verschiedene Perspektiven kennenlernen zu lassen. Die reine Inhaltsvermittlung lässt sich auch gut vorher oder nachher realisieren, z. B. mit Videovorträgen, Erklärvideos und anderen Medien.

Wenn es doch Vorträge sein müssen, lautet unsere Faustregel: „nicht länger als 10 Minuten …“ (ich höre die Schnappatmung, doch hier kommt der erlösende Nachsatz:) „… ohne die Teilnehmenden einzubeziehen.“ Zwischen Vortragsteilen lassen sich Fragerunden einbauen oder die Teilnehmenden kurz in „Murmelgruppen“ schicken. Das sind kurze (ein paar Minuten genügen) Zufallsbreakouts mit 3-4 Personen. Aus diesen kommen sie nach unserer Erfahrung immer plaudernd und angeregt zurück. Oder eine schnelle Gruppenarbeit, eine Intervention oder ein Medienwechsel. Hauptsache, sie haben was zu tun.

3. Inhalt vor Technik

Die Technik, der Angstgegner! Tools stehen häufig ganz oben auf der Prioritätenliste. Doch analog zu „form follows function“ gilt bei Online-Veranstaltungen: „tools follow objectives“. Denn erst, wenn das Konzept steht, wenn Ziel und Zweck der Veranstaltung definiert sind, reden wir über die Technik. Natürlich kommen hier auch Rahmenbedingungen, beispielsweise datenschutzrechtliche Vorgaben, ins Spiel. Und auch Lieblingstools dürfen sein (es hat ja gute Gründe, warum sie Lieblinge sind). Ein Toolfeuerwerk ist selten zielführend, denn auch wenn inzwischen viele Menschen mit Videokonferenz- und Interaktionstools vertraut sind, so gilt das längst nicht für alle. Und je mehr Tools zum Einsatz kommen, umso mehr Zeit braucht es für Erklärungen, Testphasen und Übungen, damit auch wirklich alle mitkommen. Denn das ist ein weiterer wichtiger Punkt: Technik darf niemanden abhängen!

Spezialtools setzen wir nur ein, wenn sie echten Mehrwert bringen, etwa Wahltools bei hybriden oder Online-Mitgliederversammlungen mit Abstimmungen oder Konferenztools bei mehrtägigen oder komplexen Veranstaltungen mit vielen parallelen Sessions.

4. Abwechslung und Unterhaltung

Während der Pandemie 2020/2021 gab es auch online viel Unterhaltsames, von Improtheater bis gemeinsam Kochen war alles dabei. Da online zeitweise die einzige Option für Begegnungen war, sollten diese dann bunt und unterhaltsam sein. Im Jahr 2024 sind die meisten Veranstaltenden online zu einfacheren Formaten zurückgekehrt und haben Unterhaltendes wieder in die Präsenz verlagert. Das verschenkt viel Potenzial, denn unterhaltende Elemente verankern auch online das gemeinsam Erlebte und stellen den inhaltlichen Bezug her. Etwa wenn wir eine Veranstaltung per Graphic Recording begleiten oder mit einem Slam Recording fulminant abschließen. Und Interaktion bringt das auch – etwa, wenn die Teilnehmenden Stichworte für Impro-Theater oder -Musik geben können oder sich in einem Quiz messen.

5. Gemeinsam dabeisein

Das wichtigste Prinzip zum Schluss: Teilnehmende sollen sich wirklich begegnen und das Gefühl bekommen, gemeinsam in einem Raum zu sein.

Und wie? Indem wir sie sichtbar machen, z. B. sie in der Einlassphase ansprechen und bitten, Kamera und Ton zu testen, einfach miteinander zu reden. Auch im späteren Verlauf der Veranstaltung hilft es, Teilnehmende direkt anzusprechen und zu Wort kommen zu lassen. Hier lassen sich auch analoge Elemente nutzen, wir machen Abfragen und lassen die Teilnehmenden etwas gemeinsam tun. Ob Gruppenarbeiten mit digital festgehaltenen Ergebnissen, ob gemeinsames Auspacken von Päckchen oder eine bewegte Pause, um die Körper zu lockern: Entscheidend ist, dass alle etwas zusammen tun und so das Gemeinschaftsgefühl entsteht.

Mit diesen 5 Zutaten klappts auch online mit der Lebendigkeit!

Lieber gucken als lesen?

Wir veranstalten in lockerer Folge offene Werkstattgespräche zu verschiedenen Themen rund um Online-Veranstaltungen. Hier geht’s zum Mitschnitt unseres Impulsvortrags zur Lebendigkeit: https://youtu.be/QHr3f_YADbI