SlamRecording: Was machst du da eigentlich?

SlamRecording: Was machst du da eigentlich? oder: Was passiert in meinem Hirn, während ich Eure Veranstaltung beobachte? oder: Bäm!

Was machst du da eigentlich?

Diese Frage, die zuverlässig kommt, wenn ich in einer der Veranstaltungshallen, Aulas, Audimaxe (ist das eigentlich der richtige Plural?), Mehrzweckhallen, Seminarräume, Firmenetagen und Theater sitze. … immer in der letzten Reihe, in der Nähe einer Steckdose, zwischen Leuten, die sich fragen, was macht die Frau da eigentlich mit dem Laptop auf den Knien und dem angespannten Gesichtsausdruck?

Da ist sie, die Frage

Da ist sie, die Frage. Die Frage in meinem Kopf und aus den Köpfen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer um mich herum. Der Unterschied zwischen uns: Die Menschen neben mir wissen, wovon vorn auf der Bühne gesprochen wird. Und ich?

Ich mache SlamRecording. Ich schreibe mit. Ich notiere während der Veranstaltung Vorträge, Grußworte, Best Practice-Krams und Workshops, sammle die Running Gags, die neben mir gewisperten Kommentare und fasse alles in einem etwa zehnminütigem SlamText zusammen. Und zwar so, dass die Konferenzinhalte dann anders zubereitet, mit Humor bestreut, mit skurrilen Gedanken angebraten und von der Heißluftfritteuse meines Wesens crispisiert in einer Performance am Ende der Veranstaltung wieder zurück in Kopf, Bauch, Herz und Hirn des Publikums wandern.
Guten Appetit! Oder: Bäm!
Zur Zubereitung einer guten SlamPoetry gehört nicht unbedingt ein Reim, das mal vorweg. Kann aber. Vor allem, wenn ich nicht alle Fremdwörter verstehe:
„… weg von mini-max und win-win-win,
Unternehmensphilosophie, Analyse, Vision: hin-hin-hin!
Mit Kohärenz und Salutogenese
authentisch, aspirational und…“

Eben nicht derselbe, alte Käse

Eben nicht derselbe, alte Käse, den man so von anderen Sitzungen und Konferenzen kennt. Und so slamme ich über die Behindertenrechtskonvention, Sucht im Alter, Versicherungen und ihre Orga-Strukturen, Kommunikation und Kiffen in der Psychiatrie, Professionalisierung der Gerontologie, Trauma-Weitergabe und seelische Gesundheit, Strukturwandel im Management oder im Stadtwald. Also alles, was es an Themen in kleinen und großen Unternehmen, Behörden in Kirche, Parteien und Vereinen gibt.
Und ich höre anders hin, weil ich keine Ahnung habe, weil ich nicht im Mustopf eines Themas bin, weil ich versuche, mir einen Reim auf das Gehörte zu machen. Und dann hake ich nach: „Wenn Sie sagen: „In puncto Niedrigschwelligkeit ist noch viel Luft nach oben“, dann würde ich vorschlagen: Machen wir die Schwelle höher, damit weniger Luft ist! Oder niedriger, damit oben mehr Luft bleibt?“
Das macht Spaß, sogar für die, die ich zitiere. Und ich höre und tippe und verstehe nichts und fürchte, dass mir nichts einfällt und mittendrin denke ich (immer!): „Was mache ich hier eigentlich?“ Aber keine Zeit, weil ich assoziiere und mich verliere und den Faden suche, ab und zu leise fluche und dann schließlich eine Geschichte sehe, an der ich alles erzähle und dann …

Dann ist Mittagspause

Dann ist Mittagspause. Und wenn Fingerfood und fairer Kaffee in den Mägen des Publikums verschwinden, sitze ich in irgendeinem Mehrzweckraum, vervollständige und schiebe Zeilen, komponiere, schmecke ab – lasse schließlich den Text irgendwo ausdrucken und probe. Laut deklamierend laufe ich karge Gänge ab, stoppe die Zeit, gestikuliere, kürze, verändere und dann ist es soweit. Rauf auf die Bühne mit mir und dem Text. Yeah!
Performance, Applaus. Nichts bleibt mehr zu sagen.
Nur noch „Tschüß“ und „Auf Wiedersehen“. Jetzt Schwein auf Toast und Füße hoch. Ich hab den schönsten Job der Welt. Und das weiß ich auch während des kreativen Prozesses beim SlamRecording. Und die Frage: „Was mach ich hier eigentlich?“ Gehört dazu.

Wohin als Nächstes?

Wenn ich mir was wünschen dürfte: Raketentechnik, Sepulkralkultur-Fortbildung, internationale Gourmet-Messe, Nanotechnologie – oder jetzt im Herbst ein Pomologen-Treffen zum Thema: „Wohin will die Goldparmäne?“
In meinen Text.
www.slamrecording.de